Wie bereits in unserem letzten Artikel erläutert, ist die Vermeidung der psychischen Gefährdung ein fester Bestandteil der gesetzlichen Vorgaben im Arbeitsschutz (ArbSch). Die Analyse der psychischen Belastungen ist ein Verfahren zur Überprüfung von Risikofaktoren und Einflüssen auf die Psyche. Was Sie zur Analyse der psychischen Belastungen wissen sollten, finden Sie in diesem Beitrag.


Wenn Stress zum Risiko wird

Psychische Belastungen sind omnipräsent. Überall wirken Einflüsse auf unsere Psyche. Ähnlich wie bei körperlicher Aktivität sind das Maß und die Art der Reize auf einen Menschen ausschlaggebend für die Reaktion, die sie im Körper auslösen. Dies geschieht im Rahmen psychischer Belastungen durch die primäre und sekundäre Bewertung der Reize sowie die problem- oder emotionsbezogene Bewältigung (vgl. BGW 2012).

Die Folgen von erhöhtem Stress können kurzfristig und langfristig sein.

Kurzfristig beeinflusst die Ausschüttung von Hormonen den emotionalen Zustand und somit auch das Verhalten einer Person. Gefühlszustände wie Ärger, Angst, Müdigkeit, Frust etc. können Leistungseinbrüche und Fehler hervorrufen.

Langfristig ist es möglich, dass sich diese Zustände zu einer Depression oder psychosomatischen Erkrankungen, wie z.B. Burnout, entwickeln. Auch die körperlichen Reaktionen (erhöhter Puls/Blutdruck) auf Stresszustände können über einen längeren Zeitraum Erkrankungen, beispielsweise des Herzkreislaufsystems, zur Folge haben.

Ein wichtiger Aspekt ist, dass durch Stresszustände beeinflusstes Verhalten direkten Einfluss auf den Umgang zwischen Kollegen oder mit Kunden / Klienten / Patienten hat und sich somit negativ auf den Betrieb auswirkt. Welche Auslöser für Stressoren es im jeweiligen Unternehmen gibt, wird durch die Analyse der psychischen Belastungen herausgefunden und in der Gefährdungsbeurteilung dokumentiert.


Die Gefährdungsbeurteilung Psyche

Die Gefährdungsbeurteilung wurde 1996 als grundlegende Maßnahme für den Arbeits- und Gesundheitsschutz im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) festgelegt. Mit der Anpassung des ArbSchG (2013) wurde der Fokus stärker auf die psychischen Belastungen gelenkt – dies wird allgemein als die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen, kurz GBU Psyche, bezeichnet.
Richtig durchgeführt, kann die GBU Psyche nicht nur Aufschluss über die Belastungen geben, sondern auch Bereiche / Prozesse mit wirtschaftlichem Optimierungspotential aufzeigen (z.B. Weitergabe von Informationen, unklare Aufgabenverteilung).

Gerade schwierige soziale Beziehungen, eine stark beeinflussende Umgebung und suboptimale Arbeitsorganisation sind häufige Ursachen für psychische Belastungen. Eine Verbesserung dieser kann also die Produktivität und Leistung im Unternehmen steigern. Voraussetzung zur Optimierung ist, anhand einer Analyse die Problemfaktoren zu erkennen.


Die Analyse

Entsprechend der Leitlinie Psyche der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) können die Belastungen mithilfe verschiedener Analysemethoden festgestellt werden.

In einer Stift-Papier oder online-gestützten Mitarbeitendenbefragung kann anhand standardisierter Verfahren eine objektive Aussage über die Belastung großer Mitarbeitendengruppen getroffen werden. Sie gewährleistet außerdem die Anonymität der Befragten. Allerdings bleibt jede Befragung tendenziell an der Oberfläche und teilweise eher unspezifisch und bedarf einer Konkretisierung in Workshopform im Nachhinein.

Dies ist bei Arbeitssituationsanalysen nicht der Fall. Hier tauschen sich alle Mitarbeitenden eines Tätigkeitsbereichs (ohne Führungskräfte) gemeinsam anhand von erprobten Leitfragen aus, bringen ihre Erfahrungen ein und beurteilen die Belastungen. Die Anonymität gegenüber den Vorgesetzten bleibt gewahrt.

Auch innerhalb der Workshops wird aufgrund der Kartenabfragetechnik ein sehr hohes Level an Anonymität und Datenschutz erreicht. Die Leitung des Gesprächs sollte ein externer Moderator übernehmen. Er kann die Diskussion über die vielen subjektiven Sichtweisen neutral leiten.

Eine objektive Analyse ermöglicht auch das Beobachtungsinterview. Die Beobachtung sollte ebenfalls ein geschultes Experten-Team vornehmen, welches die Belastung durch die eigene Auffassung der Situation einschätzt. Wichtig ist dabei, dass dieses Team aus einem interdisziplinären Personenkreis zusammengesetzt wird. In der Praxis wird diese sehr zeit- und personalintensive Methode fast nie angewendet.


Der Umgang mit den Ergebnissen

Der Umgang mit den Ergebnissen wird durch den Arbeitsschutzausschuss (ASA) im Vorfeld geplant. Häufig wird hierfür zum Start des Projektes ein Steuerkreis gegründet, der außerhalb der Beschränkungen des ASA arbeiten kann.

Auch der übergeordnete Steuerkreis Gesundheit (Steuerkreis des BGM) kann mit der Aufgabe betraut werden, mit den gewonnenen Informationen die (arbeitsbedingten) vermeidbaren Quellen für zusätzliche Belastungen zu reduzieren und die dafür notwendigen Maßnahmen einzuleiten und zu kontrollieren.

Letztendlich ist der Arbeitgeber mithilfe der Analyse der psychischen Belastungen in der Lage, das Stressniveau der Mitarbeitenden zu regulieren – im nächsten Beitrag stellen wir Ihnen die sogenannte Arbeitssituationsanalyse detaillierter vor.

Für mehr Informationen über Betriebliche Gesundheit, Gesundheitsförderung und Prävention, besuchen Sie gerne unsere Website oder kontaktieren Sie uns direkt per Mail oder Telefon.

Ihr Team VisionGesund.


Übersicht der ArbSch-Artikel


(1/4) Arbeitsschutz: Die Schnittstelle zwischen BGM und ArbSch
(2/4) Arbeitsschutz: Die Analyse der psychischen Belastungen
(3/4) Arbeitsschutz: Die VisionGesund Arbeitssituationsanalyse
(4/4) Arbeitsschutz: Die Mitarbeitendenbefragung




Weiterführende Literatur:

Moldaschl, M. (2005): Immaterielle Ressourcen. München, Mering: Rainer Hampp Verlag. Band 3.

GDA-Arbeitsprogramm Psyche (2016): Arbeitsschutz in der Praxis. Empfehlungen zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung. Berlin. 2. Auflage.

BGW-Stresskonzept (2012): Das arbeitspsychologische Stressmodell. Hamburg.


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