Was ist Neurozentriertes Training?

Neurozentriertes Training (NZT), auch bekannt als Neurotraining oder Neuroathletik, ist eine Methode, die darauf abzielt, die neuronalen Funktionen des Gehirns zu verbessern. Ursprünglich wurde NZT im Leistungssport eingesetzt, um die Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit von Profisportler:innen zu steigern. Beispielsweise hat sich NZT im professionellen Fußball als ergänzendes Training etabliert. Mittlerweile wird es auch im Freizeitsport genutzt und soll bei alltäglichen Problemen wie Schwindel, Rückenschmerzen und Antriebslosigkeit hilfreich sein. Zu den Übungen in der Neuroathletik gehören Gleichgewichts-, Konzentrations- und Atemübungen sowie gezieltes Training der Seh- und Hörfähigkeit. Zum Hintergrund: Neuronen sind Nervenzellen im Gehirn, die kontinuierlich miteinander kommunizieren. Sie bewerten und verarbeiten Informationen aus dem Körper und der Umwelt in kürzester Zeit und das Gehirn sendet daraufhin Signale zurück. So steuert unser Gehirn fast alle Körperfunktionen, Emotionen und Denkprozesse.

Wie Neurozentriertes Training funktioniert

Neuroathletik basiert auf dem Prinzip, dass alle Körperfunktionen, wie Bewegungen und Schmerzempfindungen, im Gehirn ihren Ursprung haben. Das Gehirn steuert, wie schnell Sie laufen, wie lange Ihre Muskeln durchhalten, wie Sie auf potenzielle Gefahren reagieren und wie stark Sie Schmerzen empfinden. Es erhält Informationen über Systeme wie das visuelle System und das Gleichgewichtsorgan, analysiert diese und gibt entsprechende Anweisungen an den Körper. Dadurch entsteht in unserem Gehirn eine Art Fahrplan, Landkarte, die für jeden Menschen individuell gestaltet ist. Um diese zu verbessern bzw. ändern zu können kommt das neurozentrierte Training ins Spiel. Hier wird durch gezielte Übungen, die man in den Alltag oder eine Kursstunde einbinden kann, versucht, die Leistungsfähigkeit zu verbessern.

Einfache Beispiele: Laufen Sie auf ein Hindernis zu, signalisiert Ihr Gehirn Ihnen zu stoppen oder auszuweichen. Stehen Sie auf einer instabilen Oberfläche, strecken Sie Ihre Arme aus oder spannen Sie Ihre Rumpfmuskulatur an, um das Gleichgewicht zu halten.

Eine effiziente Kommunikation zwischen Umwelt, Gehirn und Körper reduziert das Verletzungsrisiko und steigert die Leistungsfähigkeit. Ist das Nervensystem jedoch beeinträchtigt, kann dies zu Fehlhaltungen oder Verspannungen führen. Neuroathletik konzentriert sich daher nicht auf Muskeln, Sehnen oder Bänder, sondern auf das Training des Gehirns und der verschiedenen Sinnesorgane, wie Augen und Gleichgewichtsorgan. Auch Atem- und Konzentrationsübungen sind wesentliche Bestandteile des neurozentrierten Trainings.

Input – Interpretation – Output Modell

Neurozentriertes Training basiert auf dem Prinzip, dass alle Körperfunktionen ihren Ursprung im Gehirn haben. Das Gehirn steuert unsere Bewegungen, bewertet Schmerzempfindungen und reagiert auf Gefahren. Über ein Modell, das als Input – Interpretation – Output bezeichnet wird, verarbeitet das Gehirn Informationen aus der Umwelt und dem Körper.

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Input

Sinneseindrücke wie Sehen, Hören und Fühlen gelangen zum Gehirn.

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Interpretation

Das Gehirn bewertet diese Informationen und erstellt basierend darauf Modelle und Vorhersagen.

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Output

Auf Grundlage dieser Bewertungen werden körperliche Reaktionen wie Bewegungen oder Entscheidungen ausgelöst.

Für eine effektive Ausführung ist die Qualität auf allen drei Stufen – Input, Interpretation und Output – entscheidend. Ein Beispiel: Unsere Augen erfassen den Ball und seine Bewegung und unser Körpersinn nimmt die dreidimensionale Position unseres Körpers und Fußes wahr (Input). Diese Signale werden im Gehirn verarbeitet (Interpretation). Basierend darauf wird eine Entscheidung getroffen und ein Bewegungsentwurf erstellt, der in einer präzisen und koordinierten Schussbewegung mündet (Output).

Die Kernwirkungen von Neurozentriertem Training

Neurozentriertes Training hat drei wesentliche Effekte, die durch gezielte Übungen gefördert werden:

  1. Steigerung der Leistungsfähigkeit
  2. Verbesserung der Regenerationsfähigkeit
  3. Reduzierung des Verletzungsrisikos

Durch neurozentriertes Training werden bestimmte Gehirnareale gezielt stimuliert, was deren Aktivität erhöht. Dieser Prozess wird auch als „Sensory Priming“ bezeichnet. Dadurch können externe Reize, wie zum Beispiel Trainingsreize, schneller verarbeitet werden, was direkt die Leistungsfähigkeit beeinflusst: Sie können schwerere Gewichte heben oder beim Laufen länger durchhalten. Nach einer Verletzung kann es vorkommen, dass Sie eine falsche Körperhaltung einnehmen und weiterhin in dieser Fehlhaltung trainieren, da Ihr Körper „vergessen“ hat, was die richtige Haltung ist. Je sicherer Ihr Gehirn weiß, wie Ihre Gelenke positioniert sein sollten, wie visuelle Reize korrekt interpretiert werden und wie Sie Ihr Gleichgewicht halten, desto schneller können Sie sich erholen und sogar Ihre Leistungsfähigkeit steigern. Während Schmerzen nach einem Sportunfall nicht einfach verschwinden, können gezielte neurozentrierte Übungen das Schmerzempfinden reduzieren. Je effizienter das Gehirn Informationen aus dem Körper und der Umgebung verarbeitet, desto besser sind Sie vor Verletzungen geschützt. Nur wenn Sie potenzielle Gefahren, wie einen instabilen Untergrund, richtig einschätzen können, werden Sie in der Lage sein, angemessen zu reagieren und Verletzungen zu vermeiden.

Neurozentriertes Training für Jeden: Wer kann davon profitieren?

Neurozentriertes Training ist nicht nur für Spitzensportler:innen ein wirksames Mittel, um Ihre Ziele schneller zu erreichen. Auch Hobbysportler:innen und Menschen mit akuten Verletzungen, chronischen Schmerzen oder alltäglichen Beschwerden wie Verspannungen – können von Neuroathletik profitieren.

Zusammengefasst ist neurozentriertes Training geeignet für:

  • Leistungssportler:innen, die ihr Maximum erreichen wollen
  • Freizeitathlet:innen, die ein Leistungsplateau überwinden möchten
  • Neugierige Sportler:innen, die eine innovative Trainingsmethode ausprobieren wollen
  • Verletzte Athlet:innen, die ihre Heilung unterstützen wollen
  • Personen mit wiederkehrenden Beschwerden wie Rücken- oder Kopfschmerzen, eingeschränkter Beweglichkeit, Verspannungen und ähnlichen Problemen

Fünf effektive Neuroathletik-Übungen für Ihren Alltag

Die Bewegungsabläufe einer Person lassen Rückschlüsse auf die Hirntätigkeit zu. Die Zusammenarbeit der Augen koordiniert beispielsweise die Treffsicherheit eines:r Ballsportlers:in. Rückenprobleme hingegen können ein Zeichen für eine Störung im Gleichgewichtssinn sein. Mit den Neuro-Trainingstools werden die betroffenen Hirnareale angesprochen und mit kleinen täglichen Übungen oft effektive Ergebnisse erreicht.

Wer Neuroathletik ausprobiert, wird keine traditionellen Übungen wie Sit-ups oder Kniebeugen vorfinden. Neurozentrierte Übungen legen den Schwerpunkt auf Atmung, Gleichgewicht, das visuelle System und Konzentration. Hier sind einige Übungen, die Sie sofort ausprobieren können:

1. 4-6-8 Atemtechnik

Die Atmung ist ein zentraler Bestandteil des neurozentrierten Trainings. Viele Menschen atmen aufgrund von Stress, Bewegungsmangel oder Gewohnheit zu flach. Eine flache Atmung bedeutet weniger Sauerstoffversorgung der Organe und erhöht die Freisetzung von Stresshormonen. Das kann dazu führen, dass man sich weniger leistungsfähig, energielos oder unruhig fühlt. Ein bewusster, tiefer Atemfluss, der nicht nur das Zwerchfell, sondern auch die Rücken-, Nacken- und Bauchmuskulatur einbezieht, kann Vitalität, Ausdauer und Kraft verbessern.

Probieren Sie mal die 4-6-8 Technik, um Ihre Atmung zu vertiefen. So geht’s:

  1. Setzen Sie sich bequem hin oder legen sich auf den Rücken und legen Sie eine Hand auf Ihren Bauch
  2. Atmen Sie tief durch die Nase ein und zählen dabei bis vier
  3. Wenn Ihr Bauch maximal gewölbt ist, halten Sie die Luft an und zählen bis sechs
  4. Atmen Sie langsam über acht Zählzeiten aus

2. Zähneputzen im Einbeinstand

Gleichgewichtsübungen verbessern die neuromuskuläre Koordination, also die Zusammenarbeit zwischen Gehirn und Muskeln. Balance-Training optimiert den Informationsfluss, sodass Ihre Muskeln schneller auf die Signale des Gehirns reagieren. Dadurch werden Ihre feinmotorischen und koordinativen Fähigkeiten gestärkt. Eine einfache Übung, die Sie leicht in Ihren Alltag einbauen können:

  1. Verlagern Sie beim Zähneputzen Ihr Gewicht auf das rechte Bein und heben Sie das Linke an
  2. Wechseln Sie nach der Hälfte der Zeit die Seite und stehen Sie auf dem linken Bein, während Sie das Rechte anheben

3. Fingerspiele

Fingerspiele sind besonders wertvolle Übungen für das neurozentrierte Training, da sie nicht nur die Feinmotorik fördern, sondern auch die neuronalen Verbindungen zwischen dem Gehirn und den Fingern stärken. Diese Übungen tragen dazu bei, die Koordination und Geschicklichkeit der Finger zu verbessern, was wiederum die allgemeine motorische Funktion und die kognitive Verarbeitung unterstützt. Hier sind einige Fingerspiele, die sich hervorragend in ein neurozentriertes Trainingsprogramm integrieren lassen:

  1. Klavierspiel
    1. Stellen Sie sich vor, dass Ihre Finger auf einem Klavier spielen. Bewegen Sie jeden Finger nacheinander, als ob Sie eine Klaviertaste drücken würden. Wiederholen Sie dies in verschiedenen Geschwindigkeiten und Mustern.
  2. Finger-Tapping
    1. Tippen Sie schnell mit jedem Finger auf den Daumen derselben Hand, beginnend mit dem Zeigefinger und endend mit dem kleinen Finger. Wechseln Sie dann die Reihenfolge. Versuchen Sie, die Geschwindigkeit zu erhöhen, während Sie präzise bleiben.
  3. Hase – Jäger
    1. Formen Sie mit einer Hand einen Jäger (Zeigefinger ausgestreckt, Daumen nach oben) und mit der anderen Hand einen Hasen (Zeige- und Mittelfinger ausgestreckt, die anderen Finger sind eingeklappt). Wechseln Sie dann die Handstellungen, sodass die Jägerhand zum Hasen wird und umgekehrt. Wiederholen Sie dies mehrmals und versuchen Sie, die Geschwindigkeit allmählich zu erhöhen.

3. Blicksprünge für ein gutes Sehvermögen

Etwa 80 Prozent der Informationen, die das Gehirn verarbeitet, stammen von den Augen. Daher ist die Stärkung des Sehvermögens ein wesentlicher Bestandteil der Neuroathletik. Eine effektive Übung zur Verbesserung der Seh- und Wahrnehmungsleistung sind die sogenannten Blicksprünge. So führen Sie diese durch:

  1. Gehen Sie am besten nach draußen
  2. Wählen Sie einen Gegenstand in etwa 5 Meter Entfernung und einen weiteren in etwa 10 Meter Entfernung
  3. Wechseln Sie Ihren Blickfokus zügig zwischen diesen beiden Gegenständen hin und her

3. Blicksprünge für ein gutes Sehvermögen

Balance-Übungen auf wackeligem oder unebenem Untergrund sind hervorragend für das neurozentrierte Training geeignet, da sie die neuromuskuläre Koordination und die Reaktionsfähigkeit des Körpers verbessern.

  1. Stellen Sie sich mit einem Fuß auf ein Balancekissen oder einen anderen instabilen Untergrund
  2. Heben Sie den anderen Fuß leicht an und halten Sie das Gleichgewicht
  3. Wechseln Sie nach 30 Sekunden das Bein. Wiederhole Sie dies mehrmals und versuchen Sie, die Dauer der Übung allmählich zu verlängern

Level 1: Einbeinstand auf beiden Seiten
Level 2: „Wasserwage“ auf beiden Seiten
Level 3: Einbein-Squat mit beiden Seiten

Fazit

Neurozentriertes Training ist eine vielseitige Methode, die sowohl für Leistungssportler:innen als auch für Freizeitsportler:innen und Personen mit alltäglichen Beschwerden von Nutzen sein kann. Durch gezielte Übungen, die sich auf das Zusammenspiel von Gehirn, Körper und Umwelt konzentrieren, können Sie Ihre Leistungsfähigkeit steigern, Ihre Regeneration unterstützen und Verletzungsrisiken minimieren. Probieren Sie die vorgestellten Übungen aus und integrieren Sie Neuroathletik in Ihr Training oder Ihren Alltag, um von den Vorteilen dieser innovativen Methode zu profitieren!

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Bleiben Sie bewegt und bleiben Sie gesund!

Ihr Team VisionGesund.







Weiterführende Literatur:

Conrad, S. (2022). Bewegung entsteht im Gehirn–Neurozentriertes Training. ergopraxis, 15(10), 40-43.

DFB-Akademie: Input-Interpretation-Output

Foodspring Magazine: Neurozentriertes Training: So macht dich Neuroathletik fit wie nie zuvor

Walther, L. (2022). Neurozentriertes Training: so trainierst du Gleichgewicht und Stabilität. MVG Münchner Verlagsgruppe.

 

 

Bildernachweis:

Urheber*in: VisionGesund