Was willst du einmal werden? Ob Bäcker*in, Gastronom*in oder Friseurmeister*in – die meisten jungen Menschen entscheiden sich bewusst für eine Ausbildung zu ihrem Traumberuf. Doch nur drei von vier Azubis ziehen diese bis zur Prüfung durch.

Mit 25, 8 Prozent erreichte die Abbruchquote der Berufsausbildungen 2018 einen neuen Höchststand; das belegen die Zahlen des jährlichen Berufsbildungsberichts des Bildungsministeriums. Warum schmeißen so viele Lehrlinge hin?


Unzufriedenheit macht sich breit


In einer Befragung des DGB (Deutschen Gewerkschaftsbundes) gaben 70 Prozent der rund 15.000 befragten Azubis an, mit ihrer Ausbildung zufrieden bis sehr zufrieden zu sein. Trotzdem stellt diese Zahl einen Rückgang zum Vorjahr und einen Tiefpunkt der jährlichen Erhebung der letzten 13 Jahre dar. Was läuft da schief?

Glückliche Arbeitnehmer*innen sind motiviert, treu und somit effizient für den Betrieb. Azubis sind die Angestellten von morgen. Was können Sie also als Unternehmensführer tun, damit Ihre Mitarbeitenden mit Ihrer Arbeitssituation glücklich sind?


Motivieren: Gutes Betriebsklima und Bildung, die Spaß macht


„Wir haben eigentlich gar kein Fachkräfteproblem in der Branche, sondern ein massives Führungsproblem. Es gibt alte Strukturen, verkrustete Hierarchien, Mechanismen von gestern und vorgestern, die Freude an der Arbeit nehmen,“

findet der Geschäftsführer einer erfolgreichen Budget-Hotelkette, Herr Nussbaum. Wer seinen Mitarbeitern Wertschätzung entgegenbringe, der erhalte auch entsprechende Leistung.

Die Möglichkeiten, die sich Auszubildenden bieten – vergünstigte Mitarbeiterpreise, Reisen, Spaß an der Arbeit und Bildung sowie tolle neue Erfahrungen und Kontakte – werden oft vom schlechten Ruf der Ausbildung verdrängt.

Vor allem kleinere Betriebe haben Probleme, da ihnen die Mitarbeitenden fehlen. So gehören schnell fachfremde Aufgaben, die üblicherweise an Praktikanten delegiert werden, zum Arbeitsalltag vieler Azubis. Dabei sollen sich die jungen Leute in der Ausbildung, wie ihr Name schon sagt, weiterbilden, um ihr zukünftiges Handwerk zu erlernen. Abgesehen davon sind arbeitsfremde Tätigkeiten nach §102 Berufsbildungsgesetz gesetzlich verboten.

Größere Betriebe sind flexibler in den Arbeitszeiten und halten sich eher an die gesetzlichen Vorgaben. Dementsprechend sind die befragten Azubis größerer Unternehmen auch zufriedener.


Bezahlung: Harte Arbeit zahlt sich (nicht) aus


Der Hotelier Marco Nussbaum hat dafür seine eigene Strategie entwickelt: Um die körperliche und psychische Gesundheit seiner Azubis sicherzustellen, verdoppelte er zum 1. September ihre Löhne.

„Es kann nicht sein, dass die Hotellerie ein Rekordjahr nach dem anderen meldet und die Immobilien immer höher bewertet werden – aber bei den Leuten, die in den Hotels arbeiten, nichts davon ankommt.“

Auch die Vizechefin des DGB (Deutschen Gewerkschaftsbunds), Elke Hannack, bestätigt den direkten Zusammenhang zwischen Abbruchquote und geringer Bezahlung: „Viele [Auszubildende] steigen vorher aus, da sie mit der kargen Vergütung nicht über die Runden kommen.“

Tatsächlich sind 730 Euro ein spärliches Gehalt, um die teuren Wohnungs- und Lebenskosten (zumindest in Großstädten wie Hamburg) zu decken. Dabei ist die Ausbildung in der Hotelbranche längst nicht die geringst bezahlte. Bäckerlehrlinge kommen laut einer Analyse der tariflichen Ausbildungsvergütungen des BIBB (Bundesinstitut für berufliche Bildung) auf durchschnittlich 637 Euro im Monat. Schornsteinfeger erhalten gerade mal 518 Euro.

Lösungsansatz:

Der DGB fordert als Maßnahme gegen die hohen Abbruchquoten eine gesetzliche Mindestvergütung für Auszubildende: 635 Euro soll jedem*r Auszubildenden im ersten Lehrjahr zustehen; auch wenn dieser Lohn noch immer deutlich unter dem Durchschnitt liegt.
Nussbaum hingegen hält die Verdopplung des Azubigehalts auf 1460 Euro im ersten Lehrjahr für eine angemessene Bezahlung angesichts der harten Arbeit, die die jungen Hotelfachkräfte leisten.


Arbeitszeiten anpassen: Schichtdienst und Überstunden


Gerade in der Hotelbranche ist Schichtdienst üblich – eine extreme körperliche und psychische Belastung für jede*n Arbeitnehmer*in. Ein Vollzeitbetrieb im Kundenservice: Nicht nur die fachlichen Anforderungen sind anstrengend, auch die Erwartungen an die Angestellten sind unverhältnismäßig.

Vor allem Hotelfachkräfte haben es schwer, gleichzeitig eine Fünf-Tage-Woche und die gesetzlich vorgeschriebene Pause von elf Stunden einzuhalten. Häufig werden ihnen daher Minusstunden aufgerechnet, die es auszugleichen gilt. Über die Hälfte der Azubis gaben in der Umfrage der DGB an, außerhalb ihrer regulären Arbeitszeiten mobil erreichbar sein zu müssen, 13 Prozent machen Überstunden ohne Bezahlung – ebenfalls gesetzeswidrig.

Ein Rund-um-die-Uhr-Job gegen geringen Lohn und schlechte Arbeitsbedingungen.

Kein Wunder, dass die Motivation zur Ausbildung in Berufen mit derartigen Konditionen sinkt: 2018 sind die unbesetzten Ausbildungsstellen zum Vorjahr um 12,6 Prozent gestiegen, obwohl die Zahl der Ausbildungsinteressierten noch immer recht hoch ist.


Fazit: Maßnahmen zum Traumjob

    – Zu einem angenehmen Betriebsklima zählen sowohl die materiellen als auch die zwischenmenschlichen Gegebenheiten. Die Angestellten sollten gerne in den Betrieb kommen; das macht eine gute Führung aus.
    (Lesen Sie hierzu gerne unsere aktuelle Beitragsserie zum ergonomischen Arbeitsumfeld.)

    – Für Azubis sind hierbei ein adäquater Ansprechpartner und Aufgaben wichtig, durch die sie sich auch weiterbilden.

    – Eine gute Bezahlung motiviert zusätzlich.

    – Die Arbeitszeiten sollten so gehalten werden, dass genügend Regenerationszeit zur Verfügung steht.

Sind diese Maßnahmen erfüllt, profitiert auch das Unternehmen von den tatkräftigen, jungen Berufseinsteiger*innen. Nur wer physisch und psychisch gesund ist, kann volle Leistung erbringen.

Wenn Sie noch Fragen zu BGM oder BGF haben oder Tipps möchten, wie Sie Ihre Mitarbeitenden motivieren und mehr Azubis in Ihr Unternehmen locken, wenden Sie sich gerne an uns.


Ihr Team VisionGesund.




Weiterführende Literatur:
DGB Studie: Ausbildungsreport 2018.

(1) Spiegel: Azubis sind so unzufrieden wie noch nie.

(2) Spiegel: Jeder vierte Azubi bricht ab.

(3) Spiegel: Warum ein Hoteiler freiwillig die Gehälter seiner Azubis verdoppelt.

DGB Jugend: Dr. Azubi.

Süddeutsche: Jeder vierte Lehrling wirft hin.

(Zugriff jeweils am 10.09.2018)


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