Digital Overload: Hintergrund und Definition
Im modernen Berufsleben wird eine Vielzahl von Technologien genutzt, um Informationen zu empfangen, zu verarbeiten und zu teilen. E-Mails, Videokonferenzen und ständige Erreichbarkeit prägen den Arbeitsalltag. Doch hinter dieser vermeintlichen Effizienz verbergen sich oft unsichtbare Belastungen. Lange Bildschirmzeiten, Multitasking und die ständige Informationsflut können zu Stress, Erschöpfung und weiteren gesundheitlichen Problemen führen. Diese physischen und psychischen Belastungen werden als „Digitale Überlastung“ oder „Digital Overload“ bezeichnet. Es bezeichnet eine exzessive Informationsmenge, die nicht effizient verarbeitet werden kann und zu verschiedenen negativen Auswirkungen führen kann Klapp (1986). Solche negativen Auswirkungen auf die Gesundheit, insbesondere auf das Gehirn, können Stressreaktionen auslösen, die die Regeneration beeinträchtigen und langfristig chronische Erkrankungen verursachen.
Um Digital Overload effektiv zu bekämpfen, ist es wichtig, die zugrunde liegenden Faktoren zu identifizieren. Dazu gehören exzessiver Bildschirmgebrauch, ständiger Leistungsdruck und permanente Ablenkungen. Die fortwährende Nutzung von Smartphones verkürzt die Konzentrationsspanne, erhöht die Ablenkbarkeit und beeinträchtigt die Willenskraft. Diese kontinuierliche Stimulation und Ablenkung kann langfristig gesundheitliche Folgen haben. Durch die externe Speicherung von Wissen, Fakten und Erinnerungen verändert sich die Struktur des Gehirns.
Die Überlastung des Gehirns hat vielschichtige Auswirkungen auf die Kognition, Sprache und die Wahrnehmung visueller Objekte. Die durch Reizüberflutung ausgelösten Stresshormone signalisieren eine Gefahrensituation, was zu eingeschränktem Denken und verstärkter Fokussierung auf die unmittelbare Umgebung führt. Studien zeigen, dass Achtsamkeitsübungen und gezieltes Neurotraining effektive Methoden zur Stressreduktion und Verbesserung der Stressregulation sein können. Es ist jedoch wichtig, sich nicht ständig zu überfordern, sondern die eigene Körperwahrnehmung in den Vordergrund zu stellen, um eine Überlastung des Nervensystems zu vermeiden.
Warum wir überfordert sind: Modelle und Theorien
Das Rahmenmodell von Eppler und Mengis (2024) zeigt, dass „Digital Overload“ durch eine Vielzahl von miteinander verknüpften Ursachen entstehen kann. Diese umfassen individuelle Merkmale der Person, die die Informationen empfängt, Eigenschaften der Informationen selbst, die Art und Struktur der zu erledigenden Aufgaben, interne Prozesse und Arbeitsabläufe innerhalb der Organisation sowie die eingesetzten Informationstechnologien. Diese Ursachen wirken nicht isoliert, sondern sind miteinander verknüpft, was zu einem zyklischen und interdependenten Prozess führt. Die Folgen dieser Überlastung erfordern Gegenmaßnahmen, die wiederum die Ursachen des Digital Overload beeinflussen können.
Die kognitive Belastungstheorie von Atkinson und Shiffrin (1968) besagt, dass das menschliche Arbeitsgedächtnis eine begrenzte Kapazität hat und Informationsüberlastung entsteht, wenn diese Grenze überschritten wird. Dies geschieht, wenn die Informationsmenge das Arbeitsgedächtnis der empfangenden Person übersteigt. Die kognitive Belastung kann in drei Kategorien unterteilt werden: extrinsische kognitive Belastung, die durch das Design der Informationen beeinflusst wird, intrinsische kognitive Belastung, die sich aus dem Inhalt der Informationen ergibt (z. B. deren Komplexität), und germane kognitive Belastung, die eine lernfördernde Belastung durch fokussiertes Engagement mit den Informationen darstellt und idealerweise zur Konstruktion von Schemata und mentalen Modellen führt.
Das Ziel der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) besteht darin, die Informationsambiguität zu reduzieren. Die Medialreichheitsheorie von Daft und Lengel (1986) besagt, dass verschiedene Kommunikationskanäle unterschiedliche Grade an Informationsreichheit aufweisen. Face-to-Face-Kommunikation bietet die höchste Reichhaltigkeit, während E-Mails und Briefe eine geringere Reichhaltigkeit aufweisen. Die Medialreichheitstheorie unterstützt die Entwicklung von Designinterventionen, um die Informationsverarbeitung zu verbessern. Allerdings ist Technostress eng mit der Nutzung von IKT verbunden und kann durch verschiedene Faktoren wie Techno-Overload, Techno-Invasion, Techno-Komplexität, Techno-In-Sicherheit und Techno-Unsicherheit erhöht werden, was die Belastung und ständige Verfügbarkeit der Nutzer:innen beeinflusst.
Fünf Ebenen der Intervention: Wege aus der Überlastung
Information: Die Gestaltung von Informationen spielt eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung des Digital Overload. Maßnahmen wie Begrenzung der Informationsmenge, Fokussierung auf relevante Informationen und Visualisierungsmethoden wie Dashboards können helfen. Zudem sollten individuelle Bedürfnisse der Nutzer:innen berücksichtigt werden, um Technostress zu vermeiden.
Person: Die Schulung der Mitarbeiter:innen im Umgang mit IKT und effektive Zeitmanagementfähigkeiten sind entscheidend. Unternehmen sollten auch klare Richtlinien zur E-Mail-Kommunikation und zur Balance zwischen Arbeit und Privatleben fördern, um die Arbeitszufriedenheit zu steigern und Burnout vorzubeugen.
Aufgaben und Prozesse: Durch die Reduzierung der Informationsflut und die Implementierung von Filter- und Entscheidungsunterstützungssystemen können Unternehmen die Belastung ihrer Mitarbeiter:innen verringern. Schulungsprogramme und ein unterstützender Führungsstil sind ebenfalls wichtig, um die Effizienz zu steigern und die Arbeitsqualität zu verbessern.
Organisationsprozesse: Eine partizipative Etablierung von Leitlinien und eine Förderung einer Unternehmenskultur im Umgang mit IKT können helfen. Technische Assistenzsysteme und Anpassungen an neue Technologien sollten ebenfalls Teil der Strategie sein, um die Arbeitsumgebung zu optimieren und die Mitarbeiter:innen zu unterstützen.
Informationstechnologie: Die Auswahl und Implementierung von Technologien wie Tagging, Filter und Systeme zur Entscheidungsunterstützung sollten die Bedürfnisse der Nutzer:innen berücksichtigen und sicherstellen, dass sie nicht zusätzlichem Technostress ausgesetzt sind. Eine enge Abstimmung mit den Mitarbeiter:innen sowie regelmäßige Evaluierungen sind dabei entscheidend, um die Wirksamkeit der eingesetzten Technologien sicherzustellen und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen.
Alltagstipps: Kleine Übungen für große Wirkung
Im hektischen Arbeitsalltag ist es wichtig, regelmäßige Pausen und gezielte Übungen zu integrieren, um Stress abzubauen und die geistige sowie körperliche Gesundheit zu fördern. Diese einfachen, aber effektiven Techniken können helfen, die negativen Auswirkungen der digitalen Überlastung zu minimieren und die Konzentration und das Wohlbefinden zu steigern. Hier sind einige praktische Übungen, die leicht in den täglichen Ablauf integriert werden können:
Achtsamkeitstraining: Gezielte Achtsamkeitsübungen können helfen, den gegenwärtigen Moment bewusster wahrzunehmen, Stress abzubauen und die Konzentration zu verbessern. Nehmen Sie sich dafür zwei Minuten Zeit, um bewusst durch die Nase ein- und auszuatmen. Konzentrieren Sie sich darauf, tief in den Bauch zu atmen, wodurch der Vagusnerv aktiviert wird.
Digitale Pausen: Regelmäßige Pausen von digitalen Geräten sind wichtig, um den Geist zu entlasten und die Augen zu entspannen. Bedecken Sie dafür Ihre geschlossenen Augen mit beiden Händen und atmen Sie ruhig durch die Nase ein und aus, bis Sie völlige Dunkelheit wahrnehmen.
Bewegungsimpulse: Einfache Bewegungsübungen fördern die Durchblutung und steigern die Energie und können direkt am Arbeitsplatz durchgeführt werden. Stellen Sie sich aufrecht hin, strecken Sie den rechten Arm aus und fixieren Sie den Daumen mit beiden Augen. Drehen Sie dann gleichzeitig Augen, Kopf und Arm nach rechts und kehren Sie zur Mitte zurück. Wiederholen Sie die Übung auf der anderen Seite.
Diese Übungen beziehen alle drei bewegungssteuernden Systeme ein: Augen, Gleichgewicht und Bewegungsapparat. Das visuelle System spielt bei digitaler Überlastung eine wichtige Rolle. Entspannungsübungen, Augenmuskeltraining und der Einsatz von Farbbrillen können helfen, die negativen Auswirkungen langer Bildschirmzeiten zu reduzieren.
Richtlinien für den digitalen Umgang: Produktivität ohne Stress
Um einen gesunden Umgang mit digitalen Medien zu fördern, sollten klare Trennungen zwischen Online- und Offline-Zeiten eingehalten werden. Konzentrieren Sie sich bewusst auf die aktuelle Tätigkeit und vermeiden Sie Multitasking, da es stressauslösend und wenig produktiv sein kann.
Fazit: Ein Weg zu gesunder Produktivität
Informationsüberlastung ist eine Herausforderung, der sich viele Unternehmen stellen müssen. Durch gezielte Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen können Unternehmen jedoch die Auswirkungen des Digital Overload auf ihre Mitarbeiter:innen reduzieren und eine produktive, gesunde Arbeitsumgebung schaffen. Es ist wichtig, dass Unternehmen die Bedeutung dieser Problematik erkennen und entsprechende Strategien entwickeln, um den Anforderungen der digitalen Welt gerecht zu werden. Indem sie die individuellen Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter:innen berücksichtigen und eine Kultur der Zusammenarbeit und Unterstützung fördern, können Unternehmen langfristig erfolgreich sein und ihre Mitarbeiter:innen motiviert und engagiert halten.
Bleiben Sie produktiv und bleiben Sie gesund!
Ihr Team VisionGesund.
Weiterführende Literatur:
Arnold, Goldschmitt, Rigotti (2023): Dealing with information
overload: a comprehensive review
Bildernachweis:
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